Bischofsbericht auf der Synode

Sicherheit, Verhältnis von Kirche und Staat, Kirchenasyl, Ökumene und der innerkirchlihe Reformprozess waren nur einige der Themen, die der Landesbischof in seinem Bericht vor der Landessynode in Coburg ansprach.

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Bischofsbericht auf der Synode

"Vor wem sollte mir grauen?"

Unter das Thema Sicherheit stellte der Landesbischof seinen Bericht vor der Landessynode in Coburg. Gerade in einer unsicheren Zeit brauche es Botschaften der Kraft, der Zuversicht und Orienterung.

„Die Welt hat sich verändert“, betonte Heinrich Bedford-Strohm und nannte den Anschlag in London als trauriges aktuelles Beispiel. Mit dem 11.September 2001 habe ein „Zeitalter der Unsicherheit (M. Horx)“ begonnen. Dennoch klafften die gefühlte Angst und das faktische Risiko auseinander, wie Bedford-Strohm anhand von Statistiken belegte. „Insgesamt leben wir an einem der sichersten Orte der Welt.“ Statistiken seien jedoch machtlos, wenn sich die Bilder von schrecklichen Ereignissen in das Bewusstsein eingrüben.


Man kann den christlichen Glauben als einen einzigen Gegenentwurf zu einem Leben aus der Angst verstehen. Die innere Gewissheit, dass Gott mit uns geht, auch dann, wenn wir „wandern im finstern Tal“, dass er uns immer wieder von neuem „zum frischen Wasser führt“ (Ps 23), dass „nichts uns trennen kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist unserem Herrn“ (Röm 8,37ff), ist die Basis dafür, immer wieder von neuem zu lernen, mit den Unsicherheiten des Lebens umzugehen."
 

Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm

Zu einem solchen Leben aus der Angst sei der christliche Glaube „ein einziger Gegenentwurf“, betonte der Landesbischof. Menschen heute hätten verlernt, mit Verletzlichkeiten und Verwundbarkeiten umzugehen und meinten, alles kontrollieren und absichern zu können. „Umso heftiger trifft es uns, wenn wir schmerzlich erfahren, dass dies nicht möglich ist und wir keine absolute Sicherheit garantieren können.“

Sicherheit und Freiheit

Sicherheit müsse der Freiheit der Menschen dienen und dürfe nicht zu einer Art Ideologie werden, der sämtliche Freiheiten geopfert würden. „Wenn wir versuchen, mangels innerer Gewissheiten nur noch verzweifelt äußere Sicherheit zu gewinnen, dann enden wir im Extremfall beim Polizeistaat. Wir brauchen innere Ressourcen, um mit den Unsicherheiten umzugehen, die am Ende niemand beseitigen kann.“ Dort wo Christen aus solchen Ressourcen lebten, da könnten sie auch unter der Bedingung von Unsicherheit immer wieder die Angst überwinden.

Die Bemühungen um äußere Sicherheit dürften jedoch nicht an Bedeutung und ethischer Relevanz verlieren, so der Landesbischof. Das Recht müsse die Schwachen schützen, erklärte er anhand von Martin Luthers Zweiregimentenlehre. „Wenn Menschen Unrecht und Gewalt ausgesetzt sind, dann ist es die ethische Pflicht des Staates, sie vor den Gewalttätern zu schützen.“ Im Sinne Luthers sei es deswegen ausdrücklich ethisch zu würdigen, wenn Polizistinnen und Polizisten heute genau das täten. „Jedes Mal, wenn in den Nachrichten von der Vereitelung eines Anschlags durch gute polizeiliche Ermittlungen berichtet wird, bin ich voller Dankbarkeit für die Leistung derjenigen, die Menschenleben gerettet und viel Leid verhindert haben.“

Gemeinsam Verantwortung übernehmen

Ein angemessener Umgang mit dem Sicherheitsthema, so der Landesbischof weiter, verlange einen gesellschaftli­chen Konsens über den Wert der Freiheit. Und er verlange die Bereitschaft zur gemeinsamen Übernahme von Verantwortung im Falle, dass die befürchtete Gefahr eintrete. „Eines geht nicht: dankbar die Vorteile eines freien Lebens genießen und im Falle eines Anschlags die Polizei wegen Nichterfüllung ihrer Schutzpflicht anklagen. Politik und Polizei müssen sich darauf verlassen können, dass die Bürgerinnen und Bürger es mittragen, wenn bei Sicherheitsmaß­nahmen das rechte Maß gehalten wird.“

Kirche und Politik

Einen breiten Raum nahm in dem Bericht die Frage nach der Stellung von Kirche und Politik ein. Der Forderung, Kirche solle sich nicht in unangemessener Weise in tagespolitische Auseinandersetzungen oder parteipolitische Debatten einmischen, stimme er aus vollem Herzen zu, so der Landesbischof. Allerdings gehe er mit dem Instrument politischer Stellungnahmen keineswegs inflationär um. „Ich überlege mir genau, zu welchen Fragen ich wann etwas sage.“ In der kirchlichen Debatte gehe es allein um die Sache, um die im öffentlichen Raum gerungen werden müsse. „Wir werden uns auch in Zukunft in aller Deutlichkeit in die öffentlichen Debatten einbringen, wenn Anlass besteht, an die Grundorientierungen des christlichen Glaubens zu erinnern.“ Stellungnahmen seien dann angesagt, wenn es gelte dem Willen der anderen kirchenleitenden Organe öffentliche Aufmerksamkeit zu verschaffen oder wenn Kirche oder Diakonie auf Fehlentwicklungen in der Gesellschaft aufmerksam würden.

Zum Beispiel: Abschiebungen nach Afghanistan

Beispielhaft machte der Landesbischof dies an den Abschiebungen nach Afghanistan deutlich. Zum Teil täglich hätten ihn Briefe von ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern erreicht, aus denen große Angst gesprochen habe. Deutlich habe der UNHCR-Bericht Zweifel an der Sicherheitslage in Afghanistan zum Ausdruck gebracht. Zudem seien viele Menschen von Abschiebung bedroht, „die in unserem Land gut inte­griert und verwurzelt sind“. „Aus diesen Gründen war ein öffentliches Wort nötig.“ Auch jenseits der Afghanis­tan-Frage sei für ihn die Abschiebung gut integrierter Menschen ein wichtiges Thema, so Bedford-Strohm. „Es muss einen Weg geben, rechtliche Bleibemöglichkeiten für Menschen zu schaffen, die niemand in den lokalen communities hier zurück in ihre Heimatländer schicken will.“

Zum Beispiel: Kirchenasyl

Auch zur Frage des Kirchenasyls nahm der Landesbischof Stellung: Hier habe er sich in der Vergangenheit bewusst zurückgehalten, „weil gerade in diesem Bereich öffentliche Äußerun­gen oft eher schaden als nützen.“ Nach den staatsanwalt­lichen Ermittlungsverfahren gegen Pfarrerinnen und Pfarrer sei dies allerdings nicht mehr möglich gewesen. „Es geht hier um eine sehr alte humanitäre Tradition, die sich letztlich als Dienst am Recht versteht, dem es ja auch um Humanität gehen muss.“ Er sei in dieser Frage m Deeskalation bemüht: „Es muss um beides gehen: das Bewusstsein für die Kostbarkeit unseres Rechtsstaates und den Respekt davor, dass verantwortungsvoll praktiziertes Kirchenasyl dem Rechtsstaat dabei helfen will, seiner Verpflichtung zum Schutz von Leben und Würde geflüchteter Menschen nachzukommen.“

Die Synodalen (hier: Stefanie Finzel) hören aufmerksam zu.

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Synodale Coburg

Unter veränderten Bedingungen Zeugnis geben

Nach weiteren Themen wie der Ökumene und dem Reformationsjubiläum wandte sich der Landesbischof dem Reformprozess „Profil und Konzentration“ zu. Dieser wolle für die bayerische Kirche eine Vision erarbeiten und konkretisieren, „mit der wir in den nächsten Jahren unter veränderten äußeren Bedingungen Zeugnis geben wollen von der Liebe des menschgewordenen Gottes.“ Es sei eine gute Entscheidung gewesen, sich dafür viel Zeit zur theologischen Reflexion zu nehmen. Der Landesbischof nannte fünf Punkte, die ihm bei diesem Prozess wichtig seien. Es gelte,

1. Arbeitsstrukturen zu finden, die die Motivation von Ehren- und Hauptamtlichen stärke und die zugleich vernetztes, arbeitsteiliges, gaben­orientiertes Arbeiten ermöglichten.

2. in Netzwerken denken zu lernen, Schwerpunkte zu set­zen, sich zu konzentrieren und mit anderen zu kooperieren - innerkirchlich, ökumenisch und außerkirchlich.

3. Menschen dort aufzusuchen, wo sie leben. Kasualien, Taufkatechesen, Glaubenskurse, Geistliche Formate könnten Menschen in ihrer Sehnsucht nach spiritueller Erfahrung Raum geben.

4. das Internet ernst zu nehmen. Bedford-Strohm: „Es geht nicht darum, die direkte Kommunikation zwi­schen Menschen zu ersetzen. Es geht um ergänzende Kommunikationswege, vor allem mit denen, die zu unseren anderen Formen keinen Zugang finden.“ Dabei gelte es auch, Inhalte des christlichen Glaubens in den digitalen Lebenswelten ins Gespräch zu bringen.

5. die Kirche vor Ort zu verwurzeln und gleichzeitig weitgehende Flexibilität zu ermöglichen. Der Schlüssel dafür sei die Aufwertung der „mittleren Ebene“, der Dekanate. „Es wäre ein großer Vertrauensbeweis und Kulturwandel, wenn die kirchenleiten­den Organe der Strategie zustimmen würden, deutlich mehr Verantwortung für Personal, Gel­der und konzeptioneller Arbeit in diese Handlungsräume abzugeben. Ich wünsche mir, dass dies eine Initialzündung für ein neues vertrauensvolles Miteinander der Akteure wird.“ Der Landesbischof forderte für den Prozess eine Kultur des gegenseitigen Vertrauens.

30.03.2017
ELKB

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