Eine Waage als Symbol der Gerechtigkeit

 

Bild: iStockphoto, DNY59

Soziale Gerechtigkeit

Dass Gerechtigkeit ein biblisches Schlüsselwort ist, steht außer Frage. Auch für heutige Diskussionen um soziale Gerechtigkeit ist das von zentraler Bedeutung. Denn dieses Schlüsselwort bleibt nicht konturenlos, sondern wird inhaltlich gefüllt.

Durch ganz unterschiedliche Traditionen der Bibel hindurch zieht sich immer wieder das eine Motiv: Recht und Gerechtigkeit schützen, heißt, für die Schwachen einzutreten. Für die Propheten ist dieser Vorrang der Schwachen der entscheidende Maßstab zur Beurteilung von Macht.

Recht und Gerechtigkeit schützen, heißt, für die Schwachen einzutreten.

Heinrich Bedford-Strohm

„Hat dein Vater nicht auch gegessen und getrunken“ – hält Jeremia dem König entgegen – „und hielt dennoch auf Recht und Gerechtigkeit, und es ging ihm gut? Er half dem Elenden und Armen zum Recht, und es ging ihm gut. Heißt dies nicht, mich recht zu erkennen? spricht der Herr“. Bemerkenswert ist hier nicht nur das kompromisslose Eintreten für die Schwachen. Bemerkenswert ist auch die Erkenntnis: Das Eintreten für die Schwachen dient dem Wohlstand aller. Es liegt auch im Interesse der Starken und Mächtigen.

Heinrich Bedford-Strohm

Cover des Buches Heinrich Bedford-Strohm: Position beziehen: Perspektiven einer öffentlichen Theologie

Position beziehen: Perspektiven einer öffentlichen Theologie

Welche Werte braucht unser Gemeinwesen? Gibt es Gerechtigkeit in der Wirtschaft? Kann ein versöhntes Miteinander verschiedener Religionen und Kulturen gelingen?
Heinrich Bedford-Strohm, EKD-Ratvorsitzender, bezieht Position zu gesellschaftlichen Fragen, die auf den Nägeln brennen.

Bestellinformation:

Claudius, 5. Auflage Januar 2015
ISBN 978-3-532-62440-1

Dass man Ungerechtigkeit erkennt, daran leidet und sie nicht hinnehmen will – auch das ist Nächstenliebe. Denn wenn wer sich von Gott getragen fühlt und so verbunden mit den Menschen ist, der sieht die Not des anderen und schaut nicht weg. Was mir keine Ruhe lässt, das sind 24 000 Menschen, die täglich sterben, weil sie nicht genug zu essen oder keine ausreichende medizinische Versorgung haben. Diese Zahl ist für mich unfassbar. Es ist ein Skandal, dass es uns bei allem, was der Mensch kann, immer noch nicht gelungen ist, die Grundbedürfnisse aller Erdenbewohner zu decken. Ich glaube, dass ich darüber vor dem Richterstuhl Gottes einmal Rechenschaft ablegen werden muss. Dass mich Gott fragt, warum ich mich nicht mein ganzes Leben lang mit aller Energie dafür eingesetzt habe, dass Menschen nicht mehr sterben müssen, weil die Ressourcen auf dieser Erde so ungerecht verteilt sind. Ich weiß, dass man die Probleme nicht einfach nur mit Spendengeldern lösen kann. Aber dass Hunger überwindbar ist, das ist klar. Und deshalb treibt es mich auch so um, dass wir das bisher nicht geschafft haben.

Deswegen ist es gut, dass diejenigen kein Gehör finden, die dem Begriff der Gerechtigkeit einen Platz in der Mottenkiste vergangener Sozialromantik zuweisen wollen. Deswegen ist es gut, dass die öffentlichen Stellungnahmen der Kirchen neben der Solidarität die Gerechtigkeit als Zielperspektive für ein gelingendes Zusammenleben in der Gesellschaft in den Blick nehmen. Deswegen ist es gut, dass sich der in diesen Stellungnahmen angestrebte gesellschaftliche Grundkonsens an der Option für die Schwachen orientiert. Deswegen ist es gut, dass Kirche und Diakonie sich zu öffentlichen Anwälten sozialer Gerechtigkeit machen.

13.04.2021
Heinrich Bedford-Strohm

Literaturtipp

Cover des Buches Heinrich Bedford-Strom: Mitgefühl - Ein Plädoyer
Link zum Buch

Heinrich Bedford-Strom

Mitgefühl - Ein Plädoyer

Das Thema Flucht und Migration bestimmt die öffentliche Debatte in Deutschland. Sie wird leidenschaftlich, zum Teil auch verbittert geführt. Umso wichtiger: ein klarer Blick auf die Komplexität des Problems und eine ethische Richtschnur für die Mammutaufgabe der Integration. Heinrich Bedfort- Strohm stellt sich die Frage, wie mit dem weit verbreiteten Gefühl der Überforderung umzugehen sei. Sein Plädoyer für eine Haltung der Empathie will einen neuen und vertieften Geist der Gemeinsamkeit befördern.
  • Claudius Verlag
    ISBN: 978-3-532-62483-8