Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm berichtet vor der Landessynode in Garmisch-Partenkirchen.
Bild: ELKB
Garmisch-Partenkirchen
Bischofsbericht auf der Landessynode
Einleitend erzählte der Landesbischof von der EKD-Synode in Würzburg und erinnerte an die historisch dichte Zeit um den 9. November. Auf den Gedenkveranstaltungen in Würzburg und Berlin sei deutlich geworden, dass bei allen politischen Unterschieden und aller Sorge vor einer Polarisierung die gemeinsame Basis der an der Menschenwürde orientierten politischen und zivilgesellschaftlichen Kultur nach wie vor stark sei. „Und gerade wir als Kirchen und Religionsgemeinschaften können dazu beitragen, dass das so bleibt.“
Der Landesbischof berichtete von einer Delegationsreise nach London, bei der mit Fachleuten aus Kirche und Politik über den Brexit und die Rolle der Kirche bei der Überwindung von Gräben diskutiert wurde. Der einzige Weg für die Zukunft, so Heinrich Bedford-Strohm, sei der Weg der Versöhnung und der Weg des „Nie wieder“. „Wir dürfen nie zulassen, dass die alten Klischees gegenüber den jeweils anderen Nationen in Europa wiederaufleben! Wir dürfen nie zulassen, dass Antisemitismus in Deutschland oder anderswo wieder eine Chance bekommt! Wir dürfen nie zulassen, dass die Herabsetzung ganzer Menschengruppen aufgrund ihrer Hautfarbe oder wegen ihres kulturellen oder religiösen Hintergrunds wieder salonfähig wird!“
Weil die Kirche aus der Geschichte lernen wolle, fordere sie ein weltoffenes Bayern und ein weltoffenes Deutschland. „Genau weil wir wissen, wie lebensrettend Visa für konkrete Menschen sein können, setzen wir uns auch immer wieder – öffentlich oder im Hintergrund – aktiv gegen die Abschiebung bestimmter Menschen ein.“ Bedford-Strohm nannte insbesondere Muslime, die sich Christlich taufen ließen und die bei der Abschiebung erhebliche Gefahr in der Heimat erwarte. Deutschland solle zu dem werden, was andere in ihm schon sähen: „eine humane Zivilisation, bei der Menschen Zuflucht suchen, weil diese Zivilisation Lebensmöglichkeiten und Freiheiten eröffnet, die an anderen Orten mit Füßen getreten werden.“
Sexualisierte Gewalt
Auch zu dem auf der EKD-Synode breit diskutierten Thema der sexualisierten Gewalt, nahm der Landesbischof ausführlich Stellung. Wenn Menschen, die sich der Kirche anvertrauten, sexualisierte Gewalt erführen, so widerspreche das „allem, wofür wir stehen“ und müsse „uns in unseren Grundfesten erschüttern“. Die Wunden, die durch Missbrauch entstanden seien, heilten nie mehr ganz und seien deshalb auch nicht wiedergut zu machen. „Wir müssen Verantwortung übernehmen, sorgfältige Aufarbeitung betreiben und das uns Mögliche tun, damit sexualisierte Gewalt und Grenzverletzungen dieser Art in unserer Kirche in Zukunft verhindert werden.“ Der Landesbischof berichtete von den Maßnahmen in der Bayerischen Landeskirche: die Ansprechstelle für Betroffene, die verbindlichen Standards im Umgang mit Verdachtsfällen, die Unabhängige Kommission zur Anerkennung von Leid (Link) und seit 2017 eine Stelle für Präventionsarbeit. Über eine Fachstelle für den Umgang mit sexualisierter Gewalt in der ELKB, in der neben der Ansprechstelle und dem Ausbau der Prävention „auch Ressourcen für professionelle Intervention und Aufarbeitung“ zur Verfügung ständen, werde die Synode im Rahmen der Tagung entscheiden.
Sexualisierte Gewalt dürfe kein Tabuthema sein, so der Landesbischof „auch wenn es jedem und jeder von uns schwerfällt, damit umzugehen“. Täterinnen und Täter in den Reihen kirchlicher Haupt- und Ehrenamtlichen müssten sich ihrer persönlichen Verantwortung stellen und verdienten nicht den Schutz der Gemeinschaft. Auch andere Grenzüberschreitungen müssten aufgedeckt und thematisiert werden. Bedford-Strohm appellierte an die Gemeinden und Einrichtungen, das Thema sehr ernst zu nehmen und sich an Präventionsmaßnahmen zu beteiligen.
Profil und Konzentration
Der Reformprozess „Profil und Konzentration“ habe an Dynamik zugenommen, so der Landesbischof. Ihn freue besonders der hohe Anteil an jungen Menschen, die sich an den Diskussionen beteiligten und nach weiteren Beteiligungsmöglichkeiten in der ELKB fragten. Insgesamt sei die anfängliche Skepsis der Neugier und mancherorts einer Aufbruchsstimmung gewichen. Zentrale Aufgabe für die Kirche der Zukunft sei es, die Lebensräume von Menschen sorgfältig wahrzunehmen und die Arbeit der Kirche „auf Grundlage unseres Auftrags“ entsprechend dieser Lebensräume zu organisieren. „Nicht die bestehende Organisation und alles, was wir schon immer oder jedenfalls länger gemacht haben, darf als gesetzt gelten. Sondern wie wir unsere Strukturen in der Zukunft gestalten, muss sich so konsequent wie möglich auf das Ziel hin ausrichten, dass Menschen mit ihren heutigen Lebensfragen einen einfachen Zugang zu dieser Liebe finden.“
Bedford Strohm begrüßte, dass diakonische und kirchliche Arbeit künftig besser vernetzt werden soll. Auch Gemeinden sollten in Zukunft verstärkt zusammenarbeiten. Dadurch sei es möglich, gabenorientiert Schwerpunkte zu setzen, um die „in ihren Lebensstilen und Lebensgewohnheiten immer differenzierter und anspruchsvoller werdende gesellschaftliche und kirchliche Erwartungshaltung“ besser zu bedienen. „Wenn es einer Gemeinde nicht gelingt, Menschen einer Altersgruppe in ihrer eigenen Gemeinde zusammenzubringen, dann kann sie aber dennoch dazu ermutigen, sich übergemeindlich zu vernetzen. Heutzutage sind es wenige Mouseclicks, die uns von einem attraktiven Angebot in der Region für fast jeden Menschen trennen, sofern wir unsere Informationen miteinander teilen.“ Bedford-Strohm berichtete von dem EKD-Projekt „Kirche bei Dir“, einer Kirchen-App, die kirchliche Angebote, Gebäude und Veranstaltungen leichter auffindbar machen soll, sowie von dem Projekt „Gerne evangelisch“, das die Begleitung der Menschen bei Kasualien verbessern soll.
DOPPIK
Schließlich ging Bedford-Strohm auf die Einführung der Doppik in den Kirchengemeinden ein. Dabei komme es gleichermaßen darauf an, Ressourcen nicht zu verschwenden und der Gefahr der Ökonomisierung zu wehren. „Wenn wir in Zukunft viel mehr als bisher transparent machen wollen, wohin unser Geld eigentlich fließt, wenn dazu bestimmte Leistungen ökonomisch erfasst werden, die bisher nie mit Kosten verbunden wurden, dann ist die Versuchung groß, kurzschlüssig zu handeln. Kurzschlüssig zu handeln, hieße, Dinge fallen zu lassen, die ökonomisch nicht rentabel sein mögen, deren großzügige Zuteilung aber für die Gemeinde von zentraler Bedeutung ist.“
Die Herausforderungen für die Zeit und die Gesellschaft seien groß, betonte Landesbischof Heinrich Bedford-Strohm abschließend. Angesichts von Ungerechtigkeit, Gewalt und Intoleranz sei es vielleicht die größte Herausforderung, nicht die Hoffnung zu verlieren. Quelle der christlichen Zuversicht sei die „kraftvollste Hoffnungsgeschichte, die die Welt je gesehen und gehört hat“. Deutschland brauche dringend „eine Reformation der Hoffnung und der Zuversicht. Wir wollen der Welt das Zeugnis dafür nicht schuldig bleiben.“
26.11.2018
ELKB