Ökumene der Herzen

Wenn viele Einzelne auf die Einheit der Kirche hoffen und sie diese Einheit, jenseits der noch bestehenden Differenzen in den Glaubenslehren, schon leben, dann gewinnt die Ökumene an Kraft!

Bild: iStock-Bohdan Bevz

Ökumene der Herzen

Wenn viele Einzelne auf die Einheit der Kirche hoffen und sie diese Einheit, jenseits der noch bestehenden Differenzen in den Glaubenslehren, schon leben, dann gewinnt die Ökumene an Kraft! Dann wird sie zu einer „Ökumene der Herzen“.

Wie kann man den Charakter der Ökumene am besten beschreiben? Wolfgang Huber hat von der „Ökumene der Profile“ gesprochen. Dieses Wort stand nach dem gemeinsamen ökumenischen Aufbruch in den letzten Jahrzehnten für die Konsolidierung und Überprüfung des Erreichten. Viele theologische Gemeinsamkeiten wurden gefunden und frühere gegenseitige Verurteilungen aufgehoben.

Die Frage stellte sich, wie sich die eigenen Überzeugungen und Grundsätze der Kirchen im Laufe des ökumenischen Prozesses geklärt haben. Dazu gehörte auch die Erkenntnis, dass es in manchen Themenfeldern deutliche Unterschiede und gegensätzliche Auffassungen gibt. Wie in jeder intensiven Begegnung gehört diese doppelte Wahrnehmung der erreichten Nähe und der bleibenden Unterschiedlichkeit zusammen; die Wahrhaftigkeit gebietet, beide Seiten in den Blick zu nehmen. Aber es ist auch richtig, dass die Wahrnehmung des Profils der konfessionellen Traditionen die beste Voraussetzung dafür ist, ihren Reichtum wahrzunehmen.

So habe ich Wolfgang Hubers Wort von der Ökumene der Profile immer verstanden. Mein Vorgänger als EKD-Ratsvorsitzender, Nikolaus Schneider, hat dann, ganz in diesem Sinne, von der „Ökumene der Gaben“ gesprochen. Er hat dazu geraten, die jeweiligen theologischen Profile als Ergänzung und Bereicherung aufzufassen und nicht die Konkurrenz der Konfessionen in den Vordergrund zu stellen, sondern die spirituellen Ressourcen, die wir einander schenken. Der theologische Diskurs über die konfessionellen Profile in der Ökumene und die Wahrnehmung und Würdigung des wechselseitigen Reichtums der Konfessionen gehören also zusammen.

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Nur dann kommen daraus wirklich Impulse für die Einheit der Kirchen, wenn zusammen mit dem Erkennen der Profile und der wechselseitigen Gaben auch die Sehnsucht nach Einheit in den Herzen der Menschen einzieht. Wenn viele Einzelne auf die Einheit der Kirche hoffen und sie diese Einheit, jenseits der noch bestehenden Differenzen in den Glaubenslehren, schon leben, dann gewinnt die Ökumene an Kraft! Dann wird sie zu einer „Ökumene der Herzen“. Was damit gemeint ist, darf nicht missverstanden werden als schwärmerische Ignoranz gegenüber den faktischen theologischen Streitfragen.

Deswegen darf der Begriff auch nicht gegen den der „Ökumene der Profile“ und den der „Ökumene der Gaben“ ausgespielt werden. Aber wenn klar ist, dass die „Ökumene der Herzen“ sich strikt an dem Inhalt orientiert, aus dem sie lebt, dann kann die in der Seele gefühlte Erfahrung der Gegenwart Christi in den ökumenischen Gottesdiensten, die wir feiern, tatsächlich zu einer Quelle der Einheit der Kirche werden. Das Gleiche gilt auch im ökumenisch geschwisterlichen Engagement so vieler Menschen vor Ort für Flüchtlinge oder andere Menschen, die unsere Unterstützung brauchen.

27.07.2021
Heinrich Bedford-Strohm

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